
Sauerstoffüberwachung auf der Früh- und Neugeborenenintensivstation
Von 1900 bis 1950 erhielten Frühgeborene hohe Sauerstoffkonzentrationen, um eine Zyanose und Apnoe-Episoden zu verringern [1].
In den 1950er Jahren wurde festgestellt, dass erhöhte Sauerstoffkonzentrationen zu mehr Fällen von retrolentaler Fibroplasie bei Säuglingen führten, die heute als Frühgeborenen-Retinopathie (ROP) bezeichnet wird. Daraufhin wurde die Sauerstoffkonzentration in der Sauerstoffgabe für Frühgeborene vermindert, was allerdings wieder zu einem Anstieg der Mortalität und der Inzidenz von Zerebralparese führte [1].
Seitdem werden die optimale Sauerstoffgabe und die Überwachung der Sauerstoffwerte bei Frühgeborenen diskutiert. Zwar wurde der Zusammenhang zwischen Sauerstoffsättigung einerseits und Mortalität sowie Morbidität andererseits bei Neugeborenen in zahlreichen Studien untersucht, die optimale Vorgehensweise bei der Überwachung der Oxygenierung und des optimalen Sauerstoffgehalts ist jedoch weiterhin Gegenstand von Diskussionen [2].
Sauerstoffüberwachung bei Frühgeborenen
Für die Sauerstoffüberwachung können invasive oder nichtinvasive Methoden herangezogen werden. Zu den invasiven Methoden gehört die Blutgasanalyse, während nichtinvasive Methoden unter anderem die Pulsoxymetrie, das transkutane Monitoring und die Nahinfrarotspektroskopie (NIRS) umfassen.
In den letzten Jahrzehnten wurde die Blutgasanalyse zum Goldstandard für die Bestimmung der Oxygenierung auf der Neugeborenenintensivstation [3]. Die arterielle Blutgasanalyse ist präzise und zeigt den Sauerstoffgehalt im Blut direkt an, ist jedoch invasiv (Blutentnahme entweder durch arterielle Punktion oder meist über einen Verweilkatheter) und kann zu erheblichem Blutverlust führen [3]. Eine Studie zeigte, dass die Entnahme von Blutproben bei Neugeborenen in erster Linie für Blutgase in den ersten zwei Lebenswochen zu einem Blutverlust von fast 60 % des endogenen Blutvolumens führte und dass ein steigendes Ausmaß des Blutverlusts mit der Entwicklung einer bronchopulmonalen Dysplasie (BPD) assoziiert ist [4].
Die Blutgasbestimmung mithilfe von Kapillarblut liefert zwar gute Näherungswerte für arterielles Blut, kann jedoch nicht zur Bestimmung des Sauerstoffpartialdrucks im Blut herangezogen werden [5].
Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass Frühgeborene in den ersten vier Lebenswochen bis zu 50 schmerzhaften Verfahren ausgesetzt sein können, wobei Blutgasanalysen zu den häufigsten gehören [6]. Da Schmerzen bei Neugeborenen mit unerwünschten neurologischen Ergebnissen assoziiert werden, sollten schmerzhafte Verfahren, wie z. B. die Entnahme von Kapillarproben, auf ein Mindestmaß beschränkt werden [7].
Die Pulsoxymetrie wurde erstmals in den 1980er Jahren auf Neugeborenenintensivstationen eingesetzt und gilt heute als Standardversorgung in der Neonatalmedizin zur Überwachung der Oxygenierung [2]. Sie ist sofort einsetzbar und nicht invasiv. Zudem konnten Fehler aufgrund von Patientenbewegung durch die neue Generation von Sensoren deutlich reduziert und die klinische Zuverlässigkeit gesteigert werden [8].
Aufgrund der Dissoziationskurve von Hämoglobin sind Pulsoxymeter in SpO2-Bereichen von 70–95% am präzisesten [9]. Somit besteht das Risiko, dass bei ausschließlicher Anwendung der Pulsoxymetrie zur Überwachung der Oxygenierung von Neugeborenen eine Hypoxie und/oder Hyperoxie übersehen wird.
Eine große Studie der Arbeitsgruppe um Wackernagel zeigte die Diskrepanz zwischen SpO2-Messwerten und arterieller Sauerstoffsättigung und Sauerstoffpartialdruck bei Neugeborenen [9]. Bei über 27.000 SpO2/SaO2-Paaren von 1908 Patienten zeigten 57% der Fälle einen pO2 < 6 kPa (Hypoxie), während der SpO2-Messwert > 90% betrug. Bei 19% der Fälle wurde ein pO2 > 11 kPa (Hyperoxie) beobachtet, trotz SpO2 < 95%. Mit anderen Worten bedeutet die ausschließliche Verwendung von SpO2 zur Überwachung der Oxygenierung von Neugeborenen ein nicht vernachlässigbares Risiko, sowohl Hyperoxie als auch Hypoxie zu übersehen. Die Autoren kommen daher zu dem Schluss, dass „Pulsoxymetrie-Messwerte die Leistungsanforderungen für die Titration der Sauerstoffergänzung bei Neugeborenen nicht erfüllen“.
Darüber hinaus hängen die Ergebnisse der Pulsoxymetrie von der Hautfarbe des Patienten ab, da die Haut Nahinfrarotlicht absorbiert. Dies hat zu Bedenken hinsichtlich diskrepanter Ergebnisse von Pulsoxymetern bei unterschiedlicher ethnischer Herkunft geführt [10]. Die Arbeitsgruppe um Vesoulis zeigte, dass es eine „leichte, aber konstante Differenz bei SpO2-Fehlern zwischen Säuglingen mit starker Pigmentierung und solchen mit geringer gibt und bei ersteren die Inzidenz einer okkulten Hypoxämie erhöht ist“ [11].
Das transkutane Monitoring ist ebenfalls nichtinvasiv und kann zur Abschätzung der arteriellen Sauerstoff- und Kohlendioxidkonzentration verwendet werden. Es wird traditionell durch Anbringen eines erwärmten Sensors auf der Haut durchgeführt, der den Kapillarblutfluss und damit die Sauerstoffdiffusion des Sensors erhöht.
Aufgrund der unterschiedlichen Diffusionsraten kann tcpCO2 in der Regel in einem niedrigeren Temperaturbereich von 38–42°C überwacht werden. Das ist bei tcpO2 allerdings nicht möglich. Hier sind Temperaturen von 43–44°C erforderlich, um präzise Ergebnisse zu erzielen [12]. Dies erregte die Besorgnis, dass dadurch möglicherweise Schädigungen der empfindlichen Haut von Neugeborenen verursacht werden könnten, auch wenn über solche Fälle in den letzten Jahrzehnten kaum berichtet wurde.
Mehrere Studien konnten zeigen, dass hohe transkutane Sauerstoffwerte und Sauerstoffvariabilität mit einem höheren ROP-Risiko assoziiert sind und dass das transkutane Monitoring von Sauerstoff zu einer geringeren Sauerstoffvariabilität führt als die SpO2-Überwachung [13, 14].
NIRS (Nahinfrarotspektroskopie) ist nichtinvasiv und nutzt Nahinfrarotlicht zur Bestimmung der regionalen Gewebesättigung [15]. Sie wurde in der Neonatologie vor allem zur Überwachung der regionalen zerebralen Oxygenierung verwendet, aber auch zur Beurteilung der Perfusion des Splanchnicus-Gewebes und der Korrelation mit dem Verlauf einer nekrotisierenden Enterokolitis eingesetzt [16].
Obwohl sich gezeigt hat, dass durch die NIRS die Belastung durch Hypoxie und Hyperoxie bei Frühgeborenen reduzieren kann, konnte eine Senkung der Morbidität bei Neugeborenen bisher noch nicht nachgewiesen werden. Allerdings wird derzeit eine große multizentrische Studie durchgeführt, um diese Frage zu beantworten [17, 18].
Schlussfolgerung:
Die richtige Sauerstoffmenge für ein Neugeborenes muss sorgfältig abgewägt werden, da viele Fragen zur Sauerstoffsättigung und zu den Methoden zur Überwachung der Oxygenierung weiterhin unbeantwortet sind.Jede der verschiedenen Überwachungsmethoden hat ihre Vor- und Nachteile, sodass einige Autoren argumentieren, die Sauerstoffüberwachung bei Neugeborenen solle idealerweise aus einer Kombination der verschiedenen Methoden bestehen [19].
Referenzen
1. Robertson AF. Reflections on errors in neonatology: I. The “Hands-Off” years, 1920 to 1950. Journal of perinatology: official journal of the California Perinatal Association 2003; 23, 1: 48–55.
2. Saugstad OD. Oxygenation of the Immature Infant: A Commentary and Recommendations for Oxygen Saturation Targets and Alarm Limits. Neonatology
2018; 114, 1: 69–75.
3. Tan RNGB, Mulder EEM, Lopriore E, Te Pas AB. Monitoring Oxygenation and Gas Exchange in Neonatal Intensive Care Units: Current Practice in the
Netherlands. Frontiers in pediatrics 2015; 3: 94.
4. Hellström W, Forssell L, Morsing E, Sävman K, Ley D. Neonatal clinical blood sampling led to major blood loss and was associated with bronchopulmonary
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5. Goenka A, Bhoola R, McKerrow N. Neonatal blood gas sampling methods. South African Journal of Child Health 2012; 6, 1: 3–9.
6. Counsilman CE, Heeger LE, Tan R et al. Iatrogenic blood loss in extreme preterm infants due to frequent laboratory tests and procedures. J Matern Fetal
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7. Walker SM. Long-term effects of neonatal pain. Seminars in fetal & neonatal medicine 2019; 24, 4: 101005.
8. Hay WW, Rodden DJ, Collins SM, Melara DL, Hale KA, Fashaw LM. Reliability of conventional and new pulse oximetry in neonatal patients. Journal of
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9. Wackernagel D, Blennow M, Hellström A. Accuracy of pulse oximetry in preterm and term infants is insufficient to determine arterial oxygen saturation and
tension. Acta paediatrica (Oslo, Norway: 1992) 2020; 109, 11: 2251–57.
10. Sjoding MW, Dickson RP, Iwashyna TJ, Gay SE, Valley TS. Racial Bias in Pulse Oximetry Measurement. The New England journal of medicine 2020; 383, 25: 2477–78.
11. Vesoulis Z, Tims A, Lodhi H, Lalos N, Whitehead H. Racial discrepancy in pulse oximeter accuracy in preterm infants. Journal of perinatology: official journal of
the California Perinatal Association 2021.
12. Jakubowicz JF, Bai S, Matlock DN et al. Effect of Transcutaneous Electrode Temperature on Accuracy and Precision of Carbon Dioxide and Oxygen
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13. van Weteringen W, Goos TG, van Essen T et al. Novel transcutaneous sensor combining optical tcPO2 and electrochemical tcPCO2 monitoring with reflectance
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17. van der Heide M, Hulscher JBF, Bos AF, Kooi EMW. Near-infrared spectroscopy as a diagnostic tool for necrotizing enterocolitis in preterm infants. Pediatric
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18. Hyttel-Sorensen S, Pellicer A, Alderliesten T et al. Cerebral near infrared spectroscopy oximetry in extremely preterm infants: Phase II randomised clinical
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19. Gorm Greisen. ClinicalTrials.gov: Safeguarding the Brain of Our Smallest Infants Phase III (SafeBoosC). Available from: URL:https://clinicaltrials.gov/ct2/show/
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